Brief von den Philippinen

Sehr geehrte Spenderinnen und Spender von Pro-Fil,

ich darf den diesjährigen Rundbrief mit einem sehr herzlichen Gruß aus Cebu beginnen. Im Folgenden möchte ich einen Einblick in die Weiterentwicklung unserer Projekte geben. Dank der Unterstützung aus der Heimat können wir immer wieder neu und auf vielerlei Weise helfen:

Menschenhandel, Rotlichtmilieus, Ausbeutung im Internet

Der Kampf gegen die Ausbeutung gerade von Kindern in der Rotlichtszene geht weiter. Alles ist komplizierter geworden. Das Internet schafft bekanntlich in diesem Kontext viele neue Formen der Ausbeutung, gerade auch von Kindern (OSEC – Online Sexual Exploitation of Children). Zusammen mit den Schwestern vom Guten Hirten arbeiten wir derzeit an speziellen Rehabilitierungsprogrammen für Kinder und Kleinkinder.

Unser Drop-In Zentrum wird alljährlich von weit über 500 jungen Mädchen und Frauen aus der Rotlichtszene aufgesucht. Hier finden sie Nahrung, medizinische Versorgung, einen Platz zum Ausruhen und zum Gespräch. Immer wieder gelingt es, jungen Menschen den Ausstieg aus der Zwangsprostitution zu ermöglichen. Die tiefen Wunden und Verletzungen der Ausbeutung heilen nur langsam und häufig gar nicht mehr. Die angestiegene Zahl der HIV/AIDS Fälle bringt zusätzliche Herausforderungen. Die Aufklärungsarbeit und Strafverfolgung spielen eine wichtige Rolle. Das Reha-Zentrum hat Platz für 25 Mädchen, die oft schon als Minderjährige Opfer des blühenden Menschenhandels mit falschen Versprechungen auf Arbeit und ein besseres Leben in die Rotlichtmilieus gelockt wurden. Mit viel Fürsorge versucht unser kompetentes Fachpersonal, diesen jungen Menschen zu helfen. Für diejenigen, die diesen Prozess schaffen, gibt es ein Wiedereingliederungsprogramm (After Care), das den Mädchen und jungen Frauen hilft, sich wieder in der Gesellschaft zurechtzufinden. Über viele Jahre bereits haben so viele junge Menschen ein neues Leben beginnen können. Sie haben eigene Familien und auch dauerhafte Anstellungen. – Kosten entstehen bei diesen Programmen für Nahrung, medizinische Versorgung, Schul- und Berufsbildung, sowie für die Gehälter der Sozialarbeiterinnen und Fachpersonal wie Psychologinnen, die die Mädchen auf diesem schwierigen Weg in ein neues Leben begleiten. Den großzügigen Spender/innen in der Heimat gilt der Dank.

Mülldeponien und Umsiedlungsgebiete

Die zunehmende Verarmung treibt weiterhin viele Familien auf die vier Mülldeponien der Insel Cebu, die mit weit über 6.000 Menschen ihre Kapazitäten überschritten haben. Es vergeht kaum eine Woche, in der mich nicht bis zu 20 Familien bitten, an unseren Umsiedlungsprojekten teilnehmen zu dürfen.

16. August 2019 – „Der Traum von Kindern“ … Wie immer werde ich bei meinem Rundgang von den Kindern auf der Mülldeponie Cebus begleitet. Die kleine Julie lässt meine Hand nicht mehr los … Sie wurde auf der Mülldeponie geboren und hat hier im jungen Alter von nur sechs Jahren bereits viele Erfahrungen gesammelt … Heute will sie mir etwas sagen … Ob ich nach dem Besuch der Mülldeponie noch wieder zum Umsiedlungsgebiet San Pio Village fahren werde, fragt sie … Verwundert antworte ich, ob sie denn das San Pio Village schon kenne … Stolz erzählt sie, daß sie dort zusammen mit ihren Eltern und Geschwistern schon einmal eine befreundete Familie besucht hat … Ich frage sie, ob ihr das Dorf gefallen hat … „Ja, natürlich“, sagt sie, „Es war so schön, daß meine Geschwister und ich dort gar nicht mehr weg wollten“ … Im Verlauf des weiteren Gesprächs erzählt mir das sechsjährige Mädchen von ihrem Traum für sich und ihre Familie, auch einmal in so einem Dorf fern der Mülldeponie leben zu dürfen

Dass dieser Traum für immer mehr Familien von den Mülldeponien und aus anderen Slums Wirklichkeit geworden ist, verdanken wir den großzügigen Menschen in der Heimat. So lange die Kräfte und die Finanzen ausreichen, möchten wir diese Arbeit weiterführen, um Kindern wie Julie und ihren Familien bei der Verwirklichung ihrer Träume zu helfen. – Beide Umsiedlungsprojekte haben gute Fortschritte gemacht. Im San Pio Village, mit derzeit weit über 2.000 Menschen, sind die Bauarbeiten großenteils abgeschlossen. Alle Kinder profitieren von dem Schulungsprogramm, das mit dem Kindergarten beginnt und mit der Berufsausbildung endet. Im Saint Arnold Janssen Village konnten in diesem Jahr die ersten 60 Häuser fertiggestellt werden und 30 Familien einziehen. Bis Mitte März 2020 werden weitere 30 Familien, vor allem von den Mülldeponien, hier ein neues Zuhause bekommen. Gleichzeitig soll weitergebaut werden. Insgesamt gibt es noch Platz für 80 weitere Häuser. Aufgrund der angestiegenen Materialkosten und des schwachen Euro sind die Baukosten pro Haus angestiegen. 5.500 Euro reichen aus, um einer Familie von den Mülldeponien, aus anderen Slums, aus den verarmten Fischerdörfern und von den Straßen ein permanentes und menschenwürdiges Zuhause zu geben. Die Dankbarkeit der Menschen dafür ist groß.

Schulung von Kindern und Jugendlichen

21. April 2019 – Im Umsiedlungsgebiet Janssenville/Mactan … Die vielen Mühen der vergangenen Jahre haben sich gelohnt … Jessie stellt mir ihren Sohn Giovani vor … Giovani, betont die stolze Mutter, hat seine Berufsausbilung mit Auszeichnung bestanden … Seit dem Kindergarten, sagt Jessie, hat euer Entwicklungsbüro (JPIC-IDC) seine Ausbildung bezahlt … Mein Sohn hat bereits Arbeit gefunden und kann so der ganzen Familie helfen … Heute möchte ich mich dafür bedanken … Eine andere junge Frau, Jonalyn, setzt das Gespräch fort … Auch ich möchte mich bedanken … So wie Giovani habe ich von dem Stipendienprogramm profitiert und konnte meine Ausbildung als Sozialarbeiterin mit Erfolg abschließen … Ich habe mich für diesen Beruf entschieden, um anderen Menschen zu helfen … Meiner Familie und mir wurde in den vergangenen Jahren immer wieder geholfen und nun möchte ich anderen Menschen helfen, betont Jonalyn.

Alljährlich werden bis zu 2.000 Kinder und Jugendliche durch das Stipendienprogramm in der Grund- und Mittelschule sowie in der Berufsausbildung unterstützt. Pro Jahr reichen 70 Euro für die Grundschule aus. In der Mittelschule sind das für denselben Zeitraum 120 Euro und für die zweijährige Berufsausbildung 250 Euro pro Jahr. Ausgaben entstehen für Schulmaterial, Schulkleidung, Transportkosten und Nahrung. Auch in diesem Jahr haben viele junge Leute ihre Berufsausbildung wie Giovani und Jonalyn abgeschlossen und Arbeit gefunden, die es ihnen ermöglicht, sich und ihre Familien zu ernähren. Die Familien sind dafür sehr dankbar.

Ernährungsprogramme, medizinische Versorgung, Hilfe bei Beerdigungen:

Weiterhin sind sehr viele Menschen in den von uns betreuten Projektgebieten auf diese Hilfsprogramme angewiesen. Die Mehrheit davon sind Kinder und ältere Menschen. Ein halber Euro reicht für eine warme Mahlzeit aus. Mehr als 1.000 Kinder und unterernährte ältere Menschen profitieren davon täglich. Weit über 20.000 Menschen werden alljährlich medizinisch versorgt. Viele arme Familien können sich die Beerdigung ihrer Toten nicht leisten.

Straßenmenschen – Kinder und ältere Menschen

25. Dezember 2018 – „Beschenktwerden und Weiterschenken – Zeichen der Hoffnung“ – Weihnachtsfeier im Zentrum für Straßenmenschen – Etwa 200 Kinder und ältere Menschen nehmen daran teil. Nach der Messe spricht mich ein junger Mann an.

„Mein Name ist Felix“, sagt er und fragt: „Kannst Du Dich noch an mich erinnern?“ Dann fasst er schnell seine Geschichte zusammen: Vor etwas über 20 Jahren sind wir uns das erste Mal auf der Straße begegnet. Damals war der heute 27 jährige Felix ein Straßenkind. Wie viele andere Kinder versuchte er, auf der Straße zu überleben. Nahrung aus Mülltonnen, häufig mit Hunden geteilt, betteln, Gefängnisaufenthalte in den damaligen Kindergefängnissen … All das und anderes Leid gehörte zu den täglichen Erfahrungen der Kinder … Felix erzählt mir, daß er damals meiner Einladung gefolgt sei, in unserem Straßenkinderheim ein neues Leben zu versuchen … „Ich bin Lehrer geworden“, sagt Felix mir ganz stolz. Seit zwei Jahren unterrichtet er bereits und hat eine feste Anstellung mit gutem Gehalt.

… Die Leiterin unseres Zentrums für Straßenkinder erzählt mir später, daß Felix heute das Essen nach der Messe für alle Straßenmenschen spendiert hat. Er übernimmt auch die Schulungskosten für zwei ehemalige Straßenkinder im Zentrum … „Beschenktwerden und Weiterschenken – Zeichen der Hoffnung“.

Ich danke Ihnen für das so großzügige Teilen. Es tut gut zu wissen, daß diese Arbeit von so vielen Menschen guten Willens mitgetragen wird … Als Beschenkte und Weiterschenkende dürfen wir Zeichen der Hoffnung setzen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine erholsame Weihnachtszeit sowie ein gutes neues Jahr

Heinz Kulüke
SVD – University of San Carlos – 6000 Cebu City – PHILIPPINEN

 

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