Taifun RAI

Heinz Kulüke SVD – University of San Carlos, Cebu City – PHILIPPINES 
18./19./20. Dezember 2021 – Erste Tage nach dem Taifun

Lieber Matthias (Pro-FiL),  der Taifun RAI hat am vergangenen Donnerstagabend den Süden der Philippinen schwer getroffen und, ähnlich wie beim Taifun Yolanda in Leyte 2013 viele Orte komplett verwüstet. Besonders betroffen sind Teile von Mindanao, dann Leyte, Bohol und der ganze Süden der Insel Cebu einschliesslich Cebu City. Die Regierung hat den Notstand für diese Gebiete ausgerufen. In meinen 35 Jahren auf den Philippinen habe ich in Cebu noch nie einen Taifun von dieser Größenordnung und eine derartige Verwüstung erlebt. Glücklicherweise konnten viele Menschen gerade aus den Gefahrenzonen wie entlang der Küsten, der Flüsse und aus den Slums rechtzeitig evakuiert werden. Da zahlreiche Gebiete aufgrund der gestürzten Bäume und Elektromasten nicht zugänglich sind, gibt es derzeit über die Anzahl der Toten, Verletzten und Vermissten keine genauen Angaben (vorläufige Daten: Leyte 73 Tote, Bohol: 52 Tote, Cebu City: 23 Tote, die Zahlen aus den Orten südlich von Cebu City, die es noch schlimmer getroffen hat, sind noch nicht bekannt). 

Seit dem Super-Taifun gibt es keinen Strom. Immer mehr Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Vor den Geschäften und Tankstellen gibt es lange Schlangen und Panikkäufe. Es kann lange dauern bis die Stromversorgung wieder hergestellt ist. Da das Internet und Handy nur sporadisch funktionieren, gibt es kaum Kontakt nach Aussen. Viele Familien versuchen verzweifelt, Kontakt mit Ihren Angehörigen auf den Nachbarinseln und auch auf internationaler Ebene aufzunehmen. Der Sachschaden ist enorm. Alle unsere Projektgebiete auf Cebu und ebenso den anderen Inseln sind davon stark betroffen. Die Hütten auf den Müllbergen (Cebu, Talisay, Mandaue, Mactan) sind zu einem Großteil komplett zerstört. Ähnliches gilt für die Hütten in anderen Slums sowie in den Fischer- und Kleinbauerndörfern. Die Gehwege der Stadt sind überfüllt mit Menschen, die ihr ganzes Hab und Gut verloren haben. Die Menschen, die ohnehin schon auch aufgrund der so lange andauernden Pandemie am Rande der Existenz stehen, sind für jedwede Hilfe dankbar. Dringend werden Nahrungsmittelpakete für etwa 5.000 Familien aus den genannten Gebieten benötigt. Euro 10 reichen für eines dieser Pakete mit 5 Kg Reis, anderen Grundnahrungsmitteln und vor allem Trinkwasser aus. Damit kommen die Menschen einige Tage über die Runden. – Wo immer möglich, verteilen wir die Pakete im Rahmen des „Food for Work“ Programms, sodass die Leute bei den umfangreichen Aufräumungsarbeiten helfen. Dr. Ruel koordiniert die medizinische Versorgung der vielen Verletzten und Kranken. Vor allem wird Hilfe beim Kauf von Medkamenten benötigt. Dringend sind auch gerade in der Regenzeit die Reparaturen der durch den Taifun beschädigten Häuser in unseren Umsiedlungsgebieten und der Wiederaufbau der Hütten der Fischer-, Kleinbauern-, und Müllsammlerfamilien.

Die Kosten sind wie folgt: San Pio Village/Talisay/Cebu Ein Dach für 30 Häuser, Kosten je Euro 500 
Janssenville Mactan/Cebu Ein Dach für 35 Häuser, Kosten je Euro 500 und neue Wände, Kosten je Euro 400 Baumaterialien für den Wiederaufbau der Hütten, Kosten Euro 400 pro Familie. 
2 Generatoren im Wert von je Euro 1.000 und Diesel Treibstoff von je 500 Euro (für die Trinkwasseraufbereitung). 

Die Begegnungen mit den Menschen, die ohnehin schon durch die andauernde Pandemie am Rande der Existenz stehen, machen betroffen. Ich habe in den letzten Wochen im Hinblick auf die Auswirkungen der Pandemie für diese Menschen immer wieder gedacht, dass es eigentlich gar nicht mehr schlimmer kommen kann. Aber genau das ist leider am vergangenen Donnerstagabend passiert. 

PS: Das Kommunikationsnetzwerk ist größtenteils zusammengebrochen und funktioniert nur sehr sporadisch, sodass E.Mails oder Anrufe kaum durchkommen. Der durch den Taifun hervorgerufene Sachschaden ist enorm hoch und wird nach ersten Schätzungen in Millionenhöhe liegen. Ohne internationale Hilfe wird der Wiederaufbau nicht möglich sein. Dazu erste Bilder (siehe unten).

Heinz Kulüke SVD – University of San Carlos, Cebu City – Philippinen 
23. Dezember 2021 

Lieber Matthias ([Profil]), vielen Dank für Deine Mail und all die Mühen, den Opfern des Taifuns RAI zu helfen. Für die erneut so großherzige Spende in Höhe von Euro 15,000 danke ich Dir, dem [Profil] Vorstand sowie allen Spenderinnen und Spendern sehr herzlich. Nachfolgend findest Du einige Informationen und Fotos zu den laufenden Hilfsaktionen. In der Begegnung mit den Menschen auf den Mülldeponien und in anderen Slums, im Kontext der Hilfsaktionen in der andauernden Pandemie, habe ich häufig gedacht, dass es eigentlich gar nicht mehr schlimmer kommen kann. Aber genau das ist am Donnerstag letzter Woche passiert. Die ersten Begegnungen nach dem Taifun mit den Menschen auf den Deponien und in anderen Slums, im Anblick der unglaublichen Verwüstungen, waren ganz einfach traurig. … Ich habe selten so viele traumatisierte Menschen gesehen… Zwei Bilder stammen vom Besuch eines unserer Kindergärten auf Cebus Mülldeponie. Den Kindergarten haben wir mit viel Mühe über viele Jahre aufgebaut und weiterentwickelt. Das ist ein Kindergarten, der über 15 lange Jahre weit über 2.000 Kindern das Fundament für ihre Schulbildung und damit für ein besseres Leben gegeben hat. Nun ist dieser Schatz der Müllsammlerfamilien zerstört worden. Wir werden einen Weg finden. Gestern besuchten wir erstmals seit dem Taifun vor 6 Tagen eine der Mülldeponien, die wir bislang aufgrund der gefallenen Bäume und Strommasten nicht erreichen konnten. Die Menschen haben vor Freude und Dankbarkeit geweint, als sie Reis, andere Grundnahrungsmittel und Trinkwasser erhielten. Dank der so schnellen und großzügigen Hilfe aus der Heimat können wir diese Nahrungsmittelverteilung täglich weiterführen. Das ursprünglich Ziel von etwa 5.000 Familien (25.000 – 30.000 Menschen) wird weit überschritten werden müssen, da auch die Armen in den Vororten ausserhalb unserer Projektgebiete dringend Hilfe brauchen. Bei den Besuchen der betroffenen Gebiete entsteht ein Gefühl von tiefer Traurigkeit und die Frage taucht auf, wieso gerade diesen Menschen am Rande der Gesellschaft auch noch das so Wenige genommen werden wurde. 

Der Taifun hat so viele Menschen getroffen, die schon ohnehin durch die Auswirkungen der Corona Virus Pandemie am Rande ihrer Existenz stehen. Das verbleibende Lächeln in den Gesichtern der von Natur aus so frohen Menschen verbirgt viel Leid. Die so grosszügige Hilfe und Solidarität aus der Heimat macht uns allen Mut, den Weg gemeinsam auch noch aus dieser Krise zu suchen und gemeinsam zu gehen. In diesem Jahr sind viele von den Misa de Gallos (Frühmessen) ausgefallen. Wenn die Menschen nicht in die Kirchen kommen können, was in diesem Jahr der Fall sein wird, kommt Gott zu den Menschen in Form von Trinkwasser und Reis. Nochmals ganz herzlichen Dank für die Solidarität und Mühen.

Dir und allen so großzügigen Freunden von [Profil] darf ich eine gute Weihnachtszeit und ein ebenso gutes neues Jahr wünschen, das hoffentlich das Ende der Pandemie bringen wird.

Heinz Kulüke SVD – University of San Carlos, Cebu City – PHILIPPINEN 
6. Januar 2022 
Lieber Matthias ([Profil]), Dir und all den so großzügigen Spender/innen von [Profil] unser ganz herzlicher Dank für die erneute Spendenzuweisung in Höhe von Euro 7.500. Zusammen mit der vorherigen Spende (27.12/21) Unterstützung der vom Taifun Rai betroffenen Familien steht uns nun eine Gesamtsumme von [Profil] für die Hilfsmaßnahmen in Höhe von Euro 22.500 zur Verfügung. Mit dieser großen Summe kann sehr vielen Menschen in Not geholfen werden. Euro15.000 dieser Summe werden für die Versorgung der Menschen in den am meisten vom Taifun Rai verwüsteten Gebieten mit Nahrung verwendet werden. Im Jahr 2013 gab es hier eine ähnliche Erfahrung mit dem Taifun Yolanda/Haiyan, der viel Tote und große Verwüstungen vor allem auf der Nachbarinsel Cebus namens Leyte gebracht hat und auf der Insel Bantayan im Norden Cebus. Diesmal ist die Verwüstung um ein Vielfaches größer, da nicht nur eine oder zwei Inseln betroffen sind, sondern quasi der ganze Süden der Philippinen und der ganze Süden der Insel Cebu einschließlich die ärmeren Stadtteile von Cebu City.

Alle unsere Projektgebiete wie etwa die vier Mülldeponien, die Fischer- und Bergdörfer sowie einige Stadtslums und unsere Umsiedlungsgebiete mit weit über 3.000 Familien sind dabei keine Ausnahme. Hilfegesuche kamen daher auch aus diesen Gebieten. Viele Leben konnten gerettet werden, weil die Menschen rechtzeitig evakuiert wurden, aber der Sachschaden für die Infrastruktur und alle Wirtschaftszweige ist enorm. Die Hilfsaktionen laufen auf Hochtouren. Über 20.000 Familien erhalten Nahrungsmittelpakete mit je 10 kg Reis und anderen Grundnahrungsmitteln im Wert von je 10 Euro. Den großzügigen Spenderinnen und Spendern gilt unser Dank. Selbst drei Wochen nach dem Taifun, am 16. Dezember 2021, ist diese Form der Hilfe für immer mehr Familien überlebenswichtig. Das auch gerade deshalb, weil viele dieser Familien durch die schon so lange andauernde Pandemie ohne Arbeit und Einkünfte am Rande ihrer Existenz stehen. Zudem werden auch die Philippinen nicht vor der Omikron-Variante des Virus verschont bleiben. Weiter im Norden in Städten wie Manila breitet sich das Virus rasant aus. In Cebu und anderen Teilen des Südens werden trotz der vom Taifun verursachten Notlage und Misere Vorkehrungen getroffen werden müssen. 

All das wird vorbeigehen, und wir müssen an die Zukunft der Kinder denken. Deshalb soll die erneute Spende in Höhe von Euro 7.500 für die Finanzierung der Schulung der Kinder der Müllsammlerfamilien und aus anderen Slum reserviert werden. Viele der Schulgebäude sind durch den Taifun zerstört worden, einschließlich Kindergärten auch in unseren Projektgebieten. Da die Kinder aber ohnehin schon seit etwa zwei Jahren Zuhause mithilfe von Modulen oder in den Umsiedlungsgebieten Online lernen, wird der Unterricht wohl in den kommenden Wochen wieder beginnen. Auch für diese erneute Hilfe darf ich mich im Namen der Kinder und ihrer Familien sehr herzlich bedanken. 

Mit freundlichen Neujahrsgrüßen aus Cebu — Heinz Kulüke

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